83
Der westliche Theil der Provinz wurde im 13. Jahrhundert von dem
Orden der Deutschherrn erobert und zum Christenthum bekehrt, der östliche
kam nach dem Tode des Hofmeisters an Brandenburg, dessen Kurfürst
Friedrich Iii. sich 1701 als Friedrich I. zum „König von Preußen" machte.
Die Provinz zerfällt in die Unterprovinzen Ost- und Westpreußen.
Ostpreußen besteht aus den Regierungsbezirken Königsberg und Gumbinnen,
Westpreußen aus den Regierungsbezirken Danzig und Marienwerdcr.
Königsberg am Pregel hat 105,000 E., besitzt eine Universität und
ist stark befestigt. Geburtsort von I. Kant. Industrie, Handel und Schiff-
fahrt sind bedeutend. Der befestigte Vorhafen Pillau am frischen Haff treibt
Fischfang und Getreidehandel. Memel, 18,000 E., am kurischen Haff hat
einen guten Hafen, 90 Seeschiffe und bedeutenden Handel. Tilsit, 17,000
Einw., an der Memel liegt in einer fetten Niederung (Friede 1807).
Danzig, 90,500 E., an der westlichen Weichselmündung, eine der stärksten
Festungen, hat nächst Stettin den größten Seehandel, 150 eigene Seeschiffe
und den bedeutendsten Getreidemarkt. Das Seebad Zobbot. In kornreichem
Lande liegt Elbing, 28,000 E., an der Nagot aber Marienburg (8000 E.)
mit dem Schloß des Hochmeisters des deutschen Ordens. An der Weichsel
liegen noch Granden; (13,400 E.), welches sich 1807 tapfer hielt, und
Thorn (16,400 E.), wo Nicolaus Kopernikus 1473 geboren wurde (ff 1543).
2. Die Provinz Posen.
(525 str Q.-M. und 1,525,000 Einwohner.)
Sie liegt zu beiden Seiten der Warthe und ist vorzugsweise ein Faches,
einförmiges, aber fruchtbares Land, welches Getreide in Ueberfluß erzeugt.
Die Gewerbthätigkeit ist gering; doch besitzt die Provinz über 300 Braue-
reien, 260 Destillationen und ziemlich umfangreiche Gerbereien. Das Land
ist seit 1773 und 1793 preußisch. Die Bevölkerung bilden Polen, Juden
und Deutsche. Die ländlichen Wohnungen lassen viel zu wünschen übrig; oft
wohnen Vieh und Menschen in einer Stube; doch ist vieles bereits besser
geworden. Die Provinz enthält die beiden Regierungsbezirke Posen und
Bromberg. Posen liegt an der Warthe, hat 54,000 E. und ist eine starke
Festung. Bromberg am gleichnamigen Kanal hat 24,000 E.
3. Die Provinz Pommern.
(575 Q.-M. und 1,438,000 Einwohner.)
Sie hat mit ihren Nachbarländern im O. und W. die größte Aehn-
lichkeit. Das Land ist flach und sandreich, enthält viele Seen und hat neben
ergiebigen Strichen auch magere genug. Die Hauptbeschäftigung ist der
Ackerbau, in den Strandgegenden Fischerei und Schifffahrt. Pommern besitzt
die meisten und größten Rittergüter, auf denen für die Hebung der Land-
wirthschaft viel geschieht. Seine Gänse und Pferde sind berühmt. Die
ländlichen Wohnungen sind zum Theil noch sehr schlecht, in den Stranddör-
fern zum Theil noch Rauchkathen, in welchen der Rauch sich überall seinen
Ausweg sucht. Bedeutend sind Handel und Schifffahrt. Die Provinz zerfällt
in die Regierungsbezirke Stettin, Köslin und Stralsund. Stettin liegt an
6»
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Iii Friedrich Friedrich_I. Nicolaus_Kopernikus
133
5) Die 144 Meil. lange, von Krakau an schiffbare Weichsel entspringt
auf den Beskiden, fließt dann auf der karpathischen Landhöhe, darauf durch eine
bald sandige, bald sumpfige Ebene, durchbricht die nördl. Landhöhe, tritt bei
Mewe in ihr fruchtbares Deltaland und mündet in mehreren Armen: die
danziger Weichsel bei Danzig in die danziger Bucht, die alte Weichsel und bei
Elbing die Nogat in das frische Hass und aus diesem bei Pillan in die Ostsee;
Städte: Krakau, Polens alte Hauptstadt, 1815 bis 1846 Freistaat, Warschau,
(Polens Hauptstadt) Plock, Thorn, Marienburg (Residenz des Hochmeisters
des Deutschen Ordens); Nebenflüsse: a) rechts Donajek, Bug, mit dem
Narew, ß) links Brahe (Bromberg). Ins frische Haff unterhalb Königs-
berg fließt in mehreren Armen der von der nördl. Landhöhe aus mehreren
Seen (Mauer-S. u. a.) herabkommende und von der Jnstermündung an schiff-
bare Pregel;
6) die 130 Meil. lange, von Ratibor an (die Swine bis Stettin für See-
schiffe) schiffbare Oder, deren Oberlauf bei Oderberg, deren Mittellauf bei
Glogau endigt, am Südostende der Sudeten in Mähren, fließt von Oderberg in
Mähren bis zur Katzbachmündung im Tieflande, dann bis Glogau durch die
südl. Landhöhe, dann in der Niederung, das Oderbruch bildend, von Lebus bis
Schwedt, dann durch die nördl. Landhöhe, zuletzt durch ihr dem Weichseldelta
ähnliches Mündungsland, ergießt sich ins pommersche Haff und aus diesem
durch die Peene, Swine und Divenow in die pommersche Bucht; Städte:
Breslau, Glogau, Frankfurt, Küstrin; Nebenflüsse «) rechts bei Küstrin die
von Konin in Polen an schiffbare Wartha (Posen, Landsberg) mit der Netze
(Bromberger Kanal), ß) links: Glatzerneiße, Katzbach (Schlacht 18i3),
Bober u. a.;
ferner aus Skandinavien 7) die Dalelf bei Gefle;
8) die Torneaelf, Grenzfluß zwischen Rußland und Schweden u. v. a.
8. 288. a. a. l. alle, obgleich wasserreich, für die Schiffahrt der vielen Wasser-
fälle wegen von geringem Nutzen.
b) Gebiet des Kattegat: 9) die Göthaelf in Schweden, Abfluß des
Wenernsees; Wasserfälle; Kanal zur Verbindung des Kattegat und der Ostsee
§. 288. a. a. 1.;
c) Gebiet des Skagerrak: io) der Glommen, Norwegens größter Fluß,
bei Friedrichsstadt.
ä) §. 283. (hebtet der Nordsee.
11) Die Eider bei Tönningen, Grenzfluß zwischen Deutschland und
Dänemark; Städte: Rendsburg, Friedrichsstadt; der Kieler Kanal zur Ver-
bindung der Nord - und Ostsee;
12) die von der Moldauquelle an 172 Meil. lange Elbe, der mächtigste
Strom der norddeutschen Ebene, entspringt am Südabhange der Riesenkoppe,
endigt ihren Oberlauf bei Hohenelbe, den Mittellauf im böhmischen Hügel-
lande und in der sächsischen Schweiz bei Meißen, ist im Unterlaufe ein voll-
kommener Niederungsstrom, wird bei Melnik schiffbar, bei Hamburg für See-
schiffe, ergießt sich durch einen Mündungsbusen bei Kurhafen in die Hambur-
ger Bucht; Städte: Dresden, Mühlberg (Kurf. Joh. Friedr. v. Sachsen 1547
von Kaiser Karl V. geschlagen), Wittenberg (Luther), Magdeburg (Tilly),
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60
1793 u. 95 Die zweite und die dritte Theilung Po-
le ns. Ende des Polenreiches.
Die Polen hatten 1791 ihren Staat durch eine neue
Verfassung v) zu kräftigen gesucht. Katharina Ii.
war dagegen, und Friedrich Wilhelm schloß sich
ihr an. Vergeblicher Widerstand der polnischen Pa-
trioten unter Kosciusco. Bei der zweiten Thei-
lung Polens 1793 nahm Rußland halb Lit-
thauen, Preußen erhielt Danzig, Thorn und
die jetzige Provinz Posen (Südpreußen).
Darauf neuer Widerstand der Polen, der jedoch
durch die Erstürmung von Praga und Einnahme
W a r sch a u' s (durch den rüst. General Suwarow)
blutig unterdrückt wurde. Der Rest des poln. Reiches
wird 1795 unterrußland,Oestreichundpreußen
getheilt, wobei letzteres Reu-Ostpreußen (mit Warschau)
erhielt, Oestreich Westgallizien, Rußland den großen
Rest im Osten.
1790—1792 Kaiser Leopold Ii.
1792—1806 Franz Ii., letzter Kaiser des deutschen
Reiches.
1797—1840 Friedrich Wilhelm Iii., König von
Preußen.
Dritte Periode.
Zeitalter der Revolution.
1775—1783 Freiheitskrieg d er verein igte n Sta ate n
von Nordamerika gegen England.
Der Abfall der 13 Staaten wurde durch den
Versuch Englands hervorgerufen, dieselben willkürlich
zu besteuern.^) Kampf unter dem großen Georg
Washington, von Frankreich unterstützt.x)
England erkennt im Frieden zu Versailles die
v) Polen sollte aufhören, ein Wahlkönigthum zu sein und erbliche
Könige aus dem sächsischen Kurhause erhalten.
w) Die Lheeladung bei Boston in's Meer geworfen.
x) Der Buchdrucker B. Franklin als Gesandter in Paris.
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Extrahierte Personennamen: Katharina_Ii Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm Oestreich_Westgallizien Leopold_Ii Leopold Franz_Ii Franz Friedrich_Wilhelm_Iii Friedrich Wilhelm Georg
Washington B._Franklin
Extrahierte Ortsnamen: Danzig Thorn Polen Warschau Nordamerika England Englands Frankreich England Versailles Boston Paris
38
Christenmenschen" falsch deuteten. Sie forderten Der-
besserung ihrer allerdings bedrängten Lage (die 12
Artikel) und begingen arge Gewaltthaten. Einer ih-
rer Anführer war der Ritter Götz v. Berlich til-
gen. Der Aufstand mit Grausamkeit unterdrückt
(Georg Truchseß von Waldburg); auch Luther will
nichts von Schonung wlsfen.
Gleichzeitig Bauernaufruhr in Thüringen unter
Thomas Münzer, welcher sogar Gütergemeinschaft
einführen will. Bei F r a n ken ha u fe n gefchlagenr)
und hingerichtet.
1525 Tod Friedrichs des Weifen, auf welchen sein
Bruder Johann bet Beständige folgt.
Der Großmeister des deutschen Ordenss) A l -
brecht v. Brandenburg, sagt sich von Rom
los ii n b macht f i ch zum Herzog von Preußen.
1527—29 Zweiter Krieg zwischen Karl und Franz.
Da auch der Papst auf Franzens Seite trat, so er-
oberte der kaiserliche Feldherr Karl von Bourbon
Rom, fiel aber. Schreckliche Plünderung, t) — Der
Erfolg dieses und eines dritten Krieges (1536
bis 38) war für Karl günstig; denn Franz mußte den
Madrider Frieden bestätigen.
1529 Reichstag zu Speier. Protestanten.
Die Anhänger der Reformation protestirten (d. i.
sie erhoben Widerspruch) gegen den Beschluß, daß
jede weiteren Neuerungen zu verhüten feien. Unter
den protestantischen Fürsten waren die bedeutendsten
der Kurfürst Johann d. B. v. Sachsen und Land-
graf Philipp v. Hessen. Ein Glücksumstand für
sie war es, daß Karl V. gerade jetzt in einen Tür-
ken kriegu) verwickelt war.
1530 Reichstag zu Augsburg. Die Augsburgikche
Confession. Verfasser derselben war Philipp Me-
l an chthon.
1531 Der schmalkaldische Bund zwischen den prote-
stantischen Fürste n.
r) Der Regenbogen. Tödtung des Heroldes. Münzers Feigheit.
s) Verhöhnung des Papstthums durch lächerliche Processionen.
t) Der seit dem 13. Jahrh, die heidnischen Preußen unterworfen
hatte. 1309 wird Marienburg Sitz des Hochmeisters,
u) Vergebliche Belagerung von Wien. Die tapfere Besatzung.
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Extrahierte Personennamen: Georg_Truchseß_von_Waldburg Thomas_Münzer Friedrichs Johann Karl Karl Franz Franz Franzens Karl_von_Bourbon Karl Karl Karl Franz Franz Johann Philipp_v Philipp Karl_V. Karl_V. Philipp_Me- Philipp
Extrahierte Ortsnamen: Thüringen Brandenburg Rom Rom Sachsen Hessen Marienburg Wien
245
menen Ritter für ihre und des Evangeliums Herrschaft. Schlacht
rcihcte sich an Schlacht. Das Blut fleh in Strömen. Endlich
unterlag Preußen in dem großen Vcrtilgungskriege (1283).
Preußen unter dem deutschen Orden (1283 —1525). — Mit
väterlicher Milde und Fürsorge beherrschte fortan der deutsche
Orden, welcher auch die Schwertbrüder mit sich vereinigte, das
eroberte Land. Das prachtvolle Maricnburg an der Nogat
wurde 1309 Sitz des Ordens. Derselbe erlangte durch An-
kauf sowohl Ostpommcrn mit der Hauptstadt Danzig, als auch
Esthland. Unter weiser Verwaltung blühcte sichtbar das Land
empor und wurde immer ansehnlicher und mächtiger.
Hierüber erwachte die Eifersucht der Polen und führte
viele langwierige Kriege mit dem Orden herbei, in welchem
die Kraft desselben immer mehr erlosch. Innere Zwietracht
vermehrte das Unheil. Im Frieden von Thor» 1460 mußte
er endlich die Hälfte des Landes, Wcstpreußen, an Polen ab-
treten, und der Hochmeister für die andere Hälfte, Ostpreußen,
den Lehnseid leisten. Königsberg wurde nun Sitz des Ordens,
während Marienburg verfiel. Der Orden wurde von Deutsch-
land nicht weiter unterstützt, und sein Ansehen und seine Macht
sanken immer mehr. Die Kriege mit Polen dauerten fort, bis
der zum Hochmeister gewählte Prinz Albrecht von Bran-
denburg, Sohn des Markgrafen von Ansbach und Enkel
des Kurfürsten Albrecht Achilles im Jahre 1525 zur lutheri-
schen Kirche übertrat und nun im Frieden zu Krakau das
Ordensland als ein weltliches von der Lehnshohcit der Krone
Polens abhängiges Herzogthum erhielt. Unter dem Kurfürsten
Johann Sigmund, im Jahre 1618, wurde dieses Herzogthum
Preußen für immer mit dem Kurfürstcnthume Brandenburg
vereint, wie bereits früher bemerkt ist.
53. Brandenburg und Preußen vereinigt seit 1618.
Seit dieser Vereinigung im Jahre 1018 bis zur Errichtung
der Königswürde in Preußen, 1701, also innerhalb drei und
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Extrahierte Personennamen: Königsberg Albrecht_von_Bran- Albrecht Albrecht_Achilles Albrecht Johann_Sigmund Johann
343
jenseits des Rheines gelegenen Länder überließ. Auch das hart-
bedrängte Spanien söhnte sich zu Basel mit Frankreich aus
und trat demselben seinen Antheil an Domingo ab. So glor-
reich endete für Frankreich das Jahr 1795. Jedoch Oesterreichs
England, Portugal, Sardinien und Neapel blieben noch auf
dem Kampfplatze. — Inmitten jener Ereignisse im Westen und
Süden hob auch im Osten Europas ein blutiges Trauerspiel
an. Der Schauplatz desselben war das unglückliche Polen.
73. Polens Untergang (1795).
Zweite Thcilung Polens (1793). — Man hätte wohl er-
warten dürfen, daß das große Unglück, welches Polen durch
seine inneren Spaltungen und Trennungen über sich selbst be-
reits herabgerufen hatte, demselben zu einer ernsten Mahnung
und Warnung würde gedient haben. Und anfangs schien sich
dieses auch bewähren zu wollen. Als Rußland in einen Krieg
mit der Türkei verwickelt war, glaubte es, diesen günstigen
Augenblick benutzen zu müssen, um sich dem Einflüsse Rußlands
zu entziehen und die Gebrechen seiner Verfassung zu verbessern.
Im Einverständnisse mit dem Könige Friedrich Wilhelm 11. von
Preußen gab es sich eine neue Verfassung, welche, um aller
Gesetzlosigkeit und Zwietracht der Stände zu steuern, auch die
Bestimmung enthielt: Polen solle in der Folge kein Wahlreich
mehr sein, sondern eine Erbmonarchie, und nach dem Tode
des jetzigen Königes Poniatowski solle Sachsen diese erbliche
Würde erhalten. Ferner solle das sogenannte liberum Veto,
oder das Recht, vermöge dessen es jedem einzelnen Landboten
gestattet war, einen Gesetzvorschlag umzustoßen, für immer
abgeschafft sein. Der Tag, an welchem diese neue Verfassung
beschworen wurde — es war der 3. Mai 1791 — war ein
Freudentag für das Land. Aber nur von kurzer Dauer war
diese Freude. Rußland machte seinen Einfluß wieder geltend.
Ein Theil des Adels war wieder mit der neuen Verfassung un-
zufrieden. Dieser trat am 12. Mai 1792 in Targowicz
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Wilhelm Friedrich Wilhelm
Extrahierte Ortsnamen: Spanien Frankreich Frankreich Oesterreichs
England Portugal Sardinien Neapel Europas Polen Polens Sachsen
345
die Conföderation von Targowicz ihr Vergehen am Vaterlande
ein und wandte sich mit Abscheu von den Russen weg. Bald
erhob sich das ganze Volk zu einem verzweifelten Kampfe.
Madalinski und Kosciuszko stellten sich an die Spitze
der Bewaffnung, und das Häuflein der Polen focht unter
seinen hochherzigen Führern gegen die übermächtigen Russen
und Preußen den letzten Kampf der Verzweiflung. Zwar
ward mancher herrliche Sieg von den Polen errungen; jedoch
am Ende verließ sie das Glück in dem allzu ungleichen Streite.
Am 10. October 1794 erfocht der russische Feldherr Suwa-
row einen blutigen Sieg bei Maciejowice. Koseiuszko
wurde verwundet und gefangen; er sank mit dem Schmerzes-
rufe: „Finis Poloniae!“ (Polens Ende) von Kampf und
Wunden erschöpft zu Boden. Rach diesem Siege stürmte Su-
warow Praga, die Vorstadt von Warschau, und zwölftausend
Einwohner fielen als Opser der Wuth der Sieger. Wenige
Tage später ergab sich auch Warschau. Run war Polens
Schicksal entschieden; sein Ende war da. Damit aber nicht
Rußland und Preußen allein ihre Macht vergrößerten, ließ
auch Oesterreich Truppen in Polen einrücken und vereinigte
sich mit den beiden anderen Mächten zu einer dritten und
letzten Theilung. Oesterreich erhielt das zwischen der Weich-
sel und dem Bug gelegene Gebiet (West- oder Neugallizien)
mit der Hauptstadt Krakau; Preußen das zwischen dem
Riemen und der Weichsel gelegene Gebiet mit der Hauptstadt
Warschau; alles übrige östlich vom Riemen und Bug gelegene
Land kam an Rußland. Der schwache polnische König Sta-
nislaus Poniatowski lebte noch drei Jahre als Privat-
mann von einem Jahrgehalte in Petersburg. Kosciuszko
ward ehrenvoll in Freiheit gesetzt, bereisete dann Amerika,
England und zuletzt die Schweiz, wo er im Jahre 1817 sein
Leben in ländlicher Stille beschloß.
So schwand im Jahre 1795 Polen aus der Reihe der
selbständigen Staaten.
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244
schießende Gebiet an der Memel und Weichsel. Weil sie An-
wohner der Reußen oder Russen waren, so gaben ihnen die
Polen den Namen Preußen; denn dieser bezeichnet Nachba-
ren der Reußen oder Russen.*) Hier aber fand das Christcn-
thum noch keinen Eingang; der heil. Adalbert und mehrere
andere Glaubensbeten starben sogar den Märtyrertod. Da
griff der König von Polen, Voleslav 1., zum Schwerte, und
zwang die Preußen zu einem Tribute. Allein dieser Tribut
ward bald vergessen, und vor Rache griffen diese nun im wilden
Ungestüm Polen selbst an, das seitdem fortwährend der Tummel-
platz kriegerischer Einfälle blieb.
Unterdessen wurde der Same des Christenthums an der
Küste von Licfland ausgcstrcuet. Bremer Kauflcute, durch
Sturm an dieselbe verschlagen, stifteten Bekanntschaft mit den
wilden Bewohnern, baucten sich zu Jrküll an (1158), riefen
Prediger in'6 Land und errichteten ein Bisthum, dessen Sitz
später (1200) nach dem von ihnen gegründeten Riga an der
Mündung der Düna verlegt wurde. Schon im Jahre 1201
wurde hier von dem Bischöfe Albert der Orden der Schwert-
brüder gestiftet zur Behauptung der Herrschaft und zur Be-
festigung des Chriftcnthumes; und Liefland, Efthland, Kur-
land und Semgallen wurden von demselben unterworfen.
Diesen neu cmporblühenden Orden riefen die hartbedräng-
ten Polen im Jahre 1215 zu Hülfe; aber die Macht desselben
brach sich an dem wilden Ungestüme der heidnischen Preußen.
Auf's Aeußerste gebracht rief endlich, 1230, der Herzog Kon-
rad von Massovien den deutschen Orden herüber, welcher
seit dem Verluste von Palästina zu Venedig seinen Sitz hatte.
Diesem schenkten der Kaiser Friedrich 11. und Papst Gregor Ix.
ganz Preußen, um in demselben das Christenthum auszubrciten.
Mehr als ein halbes Jahrhundert stritten die herübergekom-
*) Der Name Preußen ist wahrscheinlich nur eine Abkürzung aus
Poreußcn oder Borussen; denn po bedeutet im Poln. bei oder an, und
also Poreußen oder Preußen die an oder bei den Russen (Wohnenden).
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Extrahierte Personennamen: Palästina Friedrich Friedrich Gregor_Ix Gregor
344
gu einer Conföderation (Verbindung) zusammen, erließ eine
feierliche Verwahrung gegen die neue Verfassung und rief die
russische Kaiserin zum Schutze auf. Diese hatte gerade den
Türkenkrieg beendet und ließ jetzt nicht lange auf sich warten.
Sie fürchtete ohnehin die gefährlichen Folgen des großen Frei-
heitsschwindels, der sich von Frankreich aus auch über Polen
verbreitet hatte, und ließ zur Unterstützung der Conföderation
sofort ihre Truppen in Polen einrücken. Vergebens leistete
das abermals überfallene Volk unter Anführung seines großen
Kriegshelden Kosciuszko, der schon in der neuen Welt mit
feinem Freunde Washington für die Freiheit rühmlich gefochten
hatte, in mehreren Schlachten, zuletzt bei Dubienka, den
heftigsten Widerstand; es mußte der Ucbcrmacht unterliegen.
Preußen, damals schon in den Krieg mit Frankreich verwickelt,
wollte einem gleichzeitigen Kriege mit Rußland ausweichen;
auch fürchtete es die von Polen angeknüpften Verbindungen
mit den französischen Jakobinern. Daher ließ jetzt auch dieses
feine Heere in Polen einrücken, mit der Erklärung: die Sicher-
heit Preußens selbst erfordere die Besetzung der Grenzlande,
wo Parteien und Aufwiegler so viele Gefahr bereiteten.
Und nun sah Polen ein neues großes Unglück über sich ein-
brechen. Rußland und Preußen vereinigten sich zu einer
zweiten Theilung Polens, 1793. Preußen erhielt den
größten Theil von Großpolen, das jetzige Südpreußen, nebst
Danzig und Thorn und gewann dadurch eine militärische Ab-
rundung seiner Ostgrenze. Rußland nahm etwa die Hälfte
von Litthauen und wurde jetzt unmittelbarer Nachbar Oester-
reichs. Diese Macht betheiligte sich nicht an der zweiten
Theilung. Während solche dort oben zwischen Rußland und
Preußen vor sich ging, hatte Oesterreich seine Macht am Rhein
entfaltet, um die Grenzen des deutschen Reiches gegen die
Uebergriffe der Franzosen zu überwachen.
Dritte Theilung Dolens (1795). — Seitdem ging eine
dumpfe Gährung durch das ganze Land. Zu spät sah jetzt
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Extrahierte Personennamen: Kosciuszko Dubienka
Extrahierte Ortsnamen: Frankreich Polen Frankreich Polen Polens Danzig Thorn Oesterreich Rhein
92
Geschichte des Mittelalters.
§ 275. Die Deutschritter begannen unter ihrem Hochmeister,
Hermann von Salza, den Kaiser Friedrich Ii. in den Reichsfürsten-
stand erhob, die Eroberung des noch heidnischen Preußen und vollen-
deten sie nach 53jährigem blutigem Kriege. Ein anderer Ritterorden, die
Schwertbrüder, 1202 in Livland gestiftet, der stch mit dem Deutsch-
orden vereinigte (1237) unterwarf Esthland, Livland und Kur-
1410. land. Durch die unglückliche Schlacht bei Tannenberg gerieth der
Deutschorden unter polnische Oberlehensherrlichkeit, 1525 schloß sich
^er Großmeister Albrecht von Brandenburg der Reformation an
Preußen, und machte Preußen zu einem Erblande; auch in den drei andern
Ostseeländern machte die Ritterschaft aus den Ordenslehen Erbgüter
und ging im 18. Jahrhundert in Rußland auf. Im anderen Deutsch-
land verlor der Orden seine Güter durch die französische Revolution
und Napoleon und ist nur noch in Oesterreich erhalten.
Wie ritterliche Poesie oder der Minnesang.
§ 270. Das ganze Wesen des Ritterthums in seiner Blüte wie
in seiner spätern Entartung spiegelt sich in einer eigenthümlichen poeti-
schen Literatur ab, deren Träger und Pfleger Ritter und Höfe,
deren Stoffe ritterliche Thaten und Tugenden waren. Diese ritterliche
oder Hoffsche Dichtung trat als Kunstpoesie im Gegensätze zur Volks-
dichtung auf, am frühesten in Südfrankreich und im nordöstlichen Spa-
nien (troubadours). In Nordfrankreich und England wurde vorzugs-
weise die ritterliche Heldendichtung gepflegt, welche ihren Stoff
aus dem Sagenkreise Karls des Großen, des walisischen Hclden-
königs Artus (Arthur) und des hl. Grals (nach der Legende die
Schüssel des hl. Abendmahles) nahm, oder Helden aus der heidnischen
Vorzeit wie Alexander den Großen und Aeneas zu christlichen
Rittern umschuf. In Deutschland trieb sie zur Zeit der Hohenstaufen
ihre schönste Blüte in Heinrich von Veldegge, Wolfram von
Eschenbach, Hartmann von der Au, Walter von der Vo-
gelweide, Konrad von Würzburg und Gottfried von
Straßburg; die Namen der Dichter des Liedes „der Nibelungen"
und „der Gudrun" sind unbekannt, sie lebten jedoch in dieser Zeit. (Man
kennt etwa 160 Namen von Minnesängern.)
Die Bürger.
§ 277. Die Kreuzzüge brachten das Abendland und Morgenland
Handel, in einen lebhaften Handelsverkehr; denn der Krieg wurde durch
Waffenstillstände unterbrochen und die verschiedenen mohammedanischen
Reiche waren selten gleichzeitig mit den Christen im Kampfe. Den
größten Nutzen hatten die italienischen Seestädte, besonders Venedig,
Genua und Pisa, welche den größten Theil Europas mit den Er-
zeugnissen des Morgenlandes versorgten und die Ausfuhr dahin ver-
mittelten, die hauptsächlich in Leinwand und Pelzwaaren bestand. Mit
den Italienern verkehrten zunächst die süddeutschen Städte: Augs-
burg, Ulm, Lindau, Konstanz, Regensburg, Wien rc. und
versorgten die norddeutschen, welche wieder nach England, die skandi-
navischen Länder, Polen und Rußland verkehrten. Die Kaufleute bil-
Die Hansen, deten geschlossene Verbindungen, welche im allgemeinen Hansen
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Eschenbach Hartmann Walter_von_der_Vo- Konrad_von_Würzburg Konrad Gottfried_von
Straßburg
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